8.4.2009: Sur Lípez

5:30 Uhr Ortszeit, das Frühstück ist vorbereitet. Wieder einmal gibt es einen schönen Sonnenaufgang zu erleben, wieder einmal haben wir ein großes und holpriges Stück Strecke vor uns, wieder erwarten uns Eindrücke in den kommenden 16 Stunden, die genug für eine Woche wären.

Ein Meer aus versteinerten Korallen blieb hier stehen, als vor Tausenden Jahren das Wasser abfloss.

Wir verlassen unser Salzhotel, in dem wir einen guten Schlaf verbracht hatten und fahren weiter gen Süden in die Provinz "Sur Lípez". Auch in dieser Gegend gab es dereinst Salzwasser, das bei der Hebung der Anden - im Gegensatz zum Salzsee von Uyuni - abfloss und zwar versalzene Erde, aber keine deckende Salzfläche hinterließ. Außerdem blieben Abertausende versteinerter Korallen zurück, die in mir als frisch gebackenem Taucher seltsam morbide Empfindungen auslösen.

Bolivien. Endlose Weiten.

Gute anderthalb Stunden waren wir auf der salzigen Staubfläche unterwegs, bis wir an einen Ort nahe der chilenischen Grenze kamen, von dem aus wir den bereits in Chile gelegenen, aktiven Vulkan Ollagüe beobachten wollten. Der hüllte sich allerdings weitestgehend in Wolken, nur für einige Sekunden war mal die senkrecht emporschießende Fumarole zu erkennen, die der Vulkan beständig ausbläst. Dafür war unser Beobachtungsposten aber nicht minder interessant, denn wir standen auf versteinerten Wellen von einst flüssiger, dann wohl schnell erkalteter Lava - so, also ob zu den versteinerten Korallen hier nun das versteinerte Meer zu finden sei.

Das ist die perfekte Welle!

An einigen, wenigen Stellen zwischen den versteinerten Wellen wächst ein Moos namens "Yareta", das wir bereits in Peru in großer Höhe gesehen hatten. Es wächst tatsächlich erst in Höhen oberhalb von 4000 m, etwa 1 cm pro Jahr. Sein Erscheinungsbild gleich oft einem riesigen Gehirn, weshalb man sich in dieser Umgebung wie in einem Bühnenbild früher Star Trek-Filme fühlen kann. Das vertrocknete Innere nehmen die Einheimischen gerne als Zunder beim Feuermachen.

"Braiiiiins..."

Weiter ging es auf staubigen und steinigen Wüstenpisten, bis nach einer kleinen Anhöhe plötzlich ein Bergpanorama auftauchte, das wegen seiner vielen Farben begeistert. Speziell ein Berg fällt hier ins Auge, er wird "Berg der sieben Farben" genannt, wobei "sieben" reichlich untertrieben ist. Gut, es lassen sich leicht sieben grundverschiedene Farben dort erkennen, besonders außergewöhnlich dabei grün und blau, aber in dem von Ockertönen dominierten Marmorkuchen sind sicherlich hunderte Farbtöne vertreten!
Gerne hätten ich hier noch das eine oder andere Stündchen verbracht und einfach nur über die Schönheit dieser wüsten Landschaft meditiert, aber neben dem straffen Zeitplan sorgte vor allem der scharfe und kalte Wind dafür, dass sich alle fünf Tourmitglieder schon bald wieder im warmen Jeep einfanden.
Netterweise sollten uns noch einige solche Berge entlang der Route begegnen, aber dieser hier ist schon etwas ganz Besonderes!

"La montaña de siete colores", der Berg der sieben Farben

Vorwärts ging es also, und schon wieder wartete ein Leckerbissen für die Augen auf uns, so daß ich bald schon nicht mehr sagen kann, was der schönste Teil des Tages war. Es sollte noch mehr werden... Aber zunächst eben der "steinerne Baum", ein Felsblock, der im Laufe der Jahrtausende von Wind und Wetter so abgeschliffen wurde, daß er wirklich an einen, wenn auch etwas fremdartigen, Baum erinnert. Rund um den "Baum" waren noch weitere, spannend erodierte Felsformationen, doch wer die sehen will, muss dann schon einen meiner geplanten Vorträge besuchen! :-)


"Árbol de Piedra", der Baum aus Stein


Nach wieder über einer Stunde Fahrt über Stock (nicht so viel) und Stein (sehr viele und große), die wirklich nur noch mit einem Allradantrieb zu bewältigen war, tauchte dann plötzlich Wasser vor uns auf. Wir waren an der Laguna Hedionda angekommen! Die etwa 2,5 mal 2,5 km² große, auf 4532 m gelegene Lagune ist vor allem durch schwefelhaltige Verbindungen geprägt, beherbergt aber etliche Organismen, die offensichtlich den Flamingos gut schmecken. Und so gab es Flamingos aus ziemlich kurzer Entfernung zu sehen, die durch das Wasser staksten und mit ihren krummen Schnäbeln nach kleinem Getier fischten. Praktischerweise hatten wir jetzt genug Zeit, die Lagune und ihre Gäste in Ruhe zu beobachten, während unser Mittagessen auf dem nahegelegenen Parkplatz zubereitet wurde.

Kein eleganter Flieger, aber schön anzusehen: Flamingo in der Laguna Hedionda

Mit etwas Abstand von dem zeitweise üblen Schwefelgeruch ließ es sich dann schon besser essen. Während unseres Mahls konnten wir einen Wüstenfuchs (Verzeihung: Andenschakal) beobachten, der in der Nähe herumlungerte und auf Essensreste der Reisegruppen spekulierte.
Der restliche Teil der Strecke sollte nun von Lagunen geprägt sein, z.B. einer kleinen, an ihren Ufern grün bewachsenen Lagune, an der wir einige Vicuñas zu Gesicht bekamen.

Junge Vicuñas; Es ist übrigens das Wappentier Perus.

Vicuñas sind die wilden Vorfahren der Alpacas, die in den Siebzigern nahe an der Auslöschung standen, da ihr Fell extrem begehrt ist. Es soll die feinste Wolle der Welt sein, feiner noch als Angora oder Alpaca, weshalb ein Kilo dieser Wolle derzeit einen Marktwert von 400 US-Dollar hat. Kein Wunder, daß die armen Viecher gnadenlos bejagt wurden. Dann wurden Tierschützer und später auch die Landespolitik auf das Problem aufmerksam und bildeten Nationalparks, in denen die Bestände sich nun langsam erholen können.

Die Laguna Honda. In der Vergrößerung (anklicken!) sieht man einen kleinen, schwarzen Punkt rechts auf der Straße - ein Jeep.

Vorbei an der Laguna Honda fuhren wir zu unserer Tagesetappe, der Laguna Colorada ("farbige Lagune"). Ihr Name kommt natürlich nicht von ungefähr - eine rote Algenart, die von den reichlich vorhandenen Mineralien im Wasser lebt, Gras, weiße Borax-Verbindungen, die wie Eisschollen aussehen, scharenweise Flamingos und nicht zuletzt auch bläulich schimmerndes Wasser machen diesen flachen See auf 4278 Metern über Meereshöhe zu einem besonderen Farbgenuss!

150°-Panorama der Laguna Colorada im Abendlicht (anklicken!). Farbigere Aufnahmen gibt es hier oder hier.

Bei der Anfahrt über eine Abschüssige Piste wurden wir schon von dem rötlichen Anblick des Sees empfangen. Dennoch brauchten wir zunächst einmal eine kleine Stärkung und vor allem einen heißen Coca-Tee im Bauch, denn nach wie vor blies draußen ein kalter Wind. Dann ging es noch einmal hinaus ins rauhe Klima, um ein wenig am Ufer des Sees entlang zu wandern und die Sicht in die einsame Ferne zu genießen. Zu Sonnenuntergang waren wir dann schon wieder an unseren einfachen Hütten, da die Kälte schnell hereinbricht, wenn die Sonne weg ist. So sahen wir zu, daß wir in unserem Fünfbettzimmer (hier gab es auch nichts anderes) schnell in unsere Kojen kamen, um noch ein wenig Schlaf vor dem nächsten Morgengrauen zu tanken. Vor dem Morgengrauen stand noch das Nacht-Grauen, das aus dem Gang zur Toilette bestand. Weiteres führe ich hier lieber gar nicht erst aus, allerdings konnte das auch nicht die traumhaften Eindrücke dieses Tages trüben!

Flight Level 140, ohne zusätzlichen Sauerstoff!

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